Es fehlt an Erzieherinnen: Der Personalmangel in der Kinderbetreuung ist nicht nur die größte Hürde, wenn es ab August gilt, den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einzulösen. Auch die Qualität der frühkindlichen Bildung ist ausbaufähig. In Niedersachsen bieten die Krippen ein ungünstigeres Betreuungsverhältnis als im Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer. Hinzu kommt: Die Mehrzahl der U3-Kita-Kinder in Niedersachsen besucht keine Krippe, sondern andere Gruppenformen – und die bieten noch schlechtere Bedingungen. Das geht aus dem diesjährigen „Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme“ hervor, den die Bertelsmann Stiftung heute veröffentlicht. Stichtag für die Datenerhebung war der 1. März 2012.
In den Krippengruppen in Niedersachsen betreut eine Vollzeitkraft rechnerisch vier Ganztagskinder (1:4,0). Zum Vergleich: Im Durchschnitt der West-Länder liegt dieser Krippenpersonalschlüssel bei 1:3,7. Damit ist Niedersachsen auch vergleichsweise weit entfernt vom Personalschlüssel, den die Berteismann Stiftung empfiehlt (1:3). Die im Ländervergleich günstigste Betreuungsrelation haben die Krippen in Bremen, wo auf eine Erzieherin rechnerisch 3,1 Kinder kommen. Die Bildungschancen der unter Dreijährigen verschlechtern sich, wenn sie statt einer Krippe andere Gruppenformen besuchen, in denen auch ältere Kinder betreut werden. In Niedersachsen gilt dies für annähernd 70 Prozent der unter dreijährigen Kita-Kinder. So sind 45,5 Prozent dieser Altersgruppe in einer Gruppe mit Kindern unter vier Jahren, die einen Personalschlüssel von 1:4,2 aufweisen. Fast elf Prozent besuchen eine altersübergreifende Gruppe (1:5,6).
Weitere zwölf Prozent der Kita-Kinder unter drei Jahren müssen sich in einer für Zweijährige geöffneten Kindergartengruppe mit einem durchschnittlichen Personalschlüssel von 1:7,8 begnügen. Der notwendige Ausbau der Kita-Plätze geht zu Lasten der Qualität. Die große Mehrzahl der unter Dreijährigen findet in Niedersachsen schon heute alles andere als optimale Bedingungen. Für die Qualität von frühkindlicher Bildung ist es von entscheidender Bedeutung, wie viele Kinder eine Erzieherin zu betreuen hat.
Studien zeigen: Bessere Personalschlüssel ermöglichen mehr bildungsanregende Interaktionen und Aktivitäten für die Kinder. Zudem hat sich gezeigt, dass bei vergleichsweise guten Personalschlüsseln Kinder ihre sprachlich-kognitiven und sozialen Fähigkeiten besser entwickeln. In der Gruppe der Kinder zwischen drei Jahren und Schuleintritt ist die verfügbare Zahl der Plätze bundesweit kaum noch ein Problem. Auch in Niedersachsen nehmen fast 93 Prozent aller Kinder zwischen drei Jahren und dem Schuleintritt eine Kindertagesbetreuung in Anspruch. Die Personalausstattung der niedersächsischen Kindergartengruppen ist mit 1:8,1 günstiger als im West-Durchschnitt (1:8,6), erreicht aber noch nicht die Empfehlung der Bertelsmann Stiftung von 1:7,5. Spitzenreiter unter den Bundesländern ist auch bei den Kindergärten Bremen mit einem Personalschlüssel von 1:7,3. Nachholbedarf besteht in Niedersachsen bei den Ganztagsangeboten. In Niedersachsen sind rund 36 Prozent der unter Dreijährigen mehr als 35 Stunden pro Woche in einer Kita. Obwohl in der Regel mit dem Alter der Kinder deren zeitlicher Betreuungsbedarf steigt, sinkt im Westen die Ganztagsquote bei Kindern, die älter als drei Jahre sind. Für Niedersachsen macht sich das besonders stark bemerkbar. Nur 21 Prozent der über Dreijährigen besuchen hier ganztags eine Kita. Das ist der zweitniedrigste Wert aller Bundesländer; der Durchschnitt im Westen beträgt immerhin 34 Prozent. Niedersachsen hat nur einen Rechtsanspruch für Kinder ab drei Jahren auf eine tägliche Mindestbetreuungszeit von vier Stunden. Für den komba Fachbereich Sozial- und Erziehungsdienst belegt die neue Bertelsmannstudie, dass die Nds. Landesregierung endlich aktiv werden muss.
Hierbei dürfe aber nicht nur auf die Quantität der Plätze, wie aktuell beschlossen, 5.000 Kita-Plätze mehr, sondern gerade die Qualität beachtet werden, so Wolf Becker, Fachbereichsvorsitzender. Die Lösung für die komba ist und bleibt ein niedriger Personalschlüssel. Becker weiter: Wir haben alle Parteien informiert, jetzt muss auch gehandelt werden! Über die weiteren Entwicklungen werden wir laufend berichten.